Die unsichtbare Stornoreserve: wie Vermittler Geld verschenken

Ein aktueller Fall zeigt, dass vielen Versicherungsvertreter*innen nicht bewusst ist, dass sie oft noch nach Jahren Ansprüche gegen ihre Ex-Vertriebe oder Ex-Versicherer haben können. Denn es gibt eine Stornoreserve, die unter Umständen im Laufe der Zeit in den Abrechnungen einfach unsichtbar wird. Das kann auch gelten, wenn die Abrechnung des Vertriebs ein Minus ausweist. Denn diese Abrechnungen sind nicht immer, aber doch häufig fehlerhaft.

 

Die Ausgangslage

 

Endet ein Vertrag zwischen Versicherungsvermittler und Versicherer oder Vertrieb, dann ist die Beziehung zwischen diesen beiden meist noch lange nicht beendet. Vielmehr bestehen und entstehen noch vielerlei Forderungen beider Seiten, und zwar häufig über Jahre hinweg.

 

Besonders hervorzuheben sind dabei Forderungen

 

  • des Versicherers/Vertriebs auf Erstattung von Stornoprovision
  • des Vermittlers auf Gutschrift oder Auszahlung der Stornoreserve und nachlaufender Provisionen
  • des Vermittlers auf einen Ausgleichsanspruch, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.

 

Ganz oft geschieht es, dass nach Vertragsende zahlreiche Stornierungen in die Abrechnungen eingebucht werden. Davon erfahren die Vermittler*innen oft erst durch die Abrechnung. Sie werden also nicht vorab davon informiert, dass ein Vertrag stornogefährdet ist. Vielmehr behält sich der Versicherer/Vertrieb eigene Nachbearbeitungsmaßnahmen vor, um die Verträge zu retten.

 

Durch die Stornierungen gerät der Gesamtsaldo schnell ins Minus. Der Grund dafür ist einfach: es gibt nach Vertragsende kein Neugeschäft mehr, mit dem die Stornos verrechnet werden können. Es gibt also nur noch Buchungen zu Lasten der Vermittler*innen, so dass sich schnell ein hoher Sollsaldo ansammelt.

 

Dieser Sollsaldo wird bei Weitem nicht immer sofort eingefordert. Denn in sehr vielen Fällen wurde aus den Provisionen der Vermittler*innen eine Stornoreserve angesammelt. Die Stornoreserve beläuft sich bei Vertragsende oft auf eine stattliche Summe, gerade bei längeren Vertragsverhältnissen. Der Versicherer/Vertrieb wird dann also, wenn der Sollsaldo hoch genug ist, einfach die Stornoreserve den Provisionskonto gutschreiben und beides miteinander verrechnen.

 

Auf diese Weise sieht der Gesamtsaldo wieder erträglich aus oder ist sogar bei Null. Nur die Stornoreserve, die die Vermittler*innen eigentlich verdient haben, ist auf einmal – verschwunden.

 

Nach meiner Erfahrung kümmern sich viele Vermittler*innen darum auch nicht mehr besonders. Sie sind erstmal froh, dass sie keinen hohen Sollsaldo mehr haben und es keinen Stress gibt. An die Stornoreserve denken sie nicht mehr. Oder aber sie vertrauen darauf, dass die Abrechnung des alten Versicherers/Vertriebes schon richtig sein wird. Ein großer Fehler!

 

Wenn es dann nach der Verrechnung noch weitere Stornierungen gibt (und das ist meistens der Fall), dann läuft der Saldo wieder ins Minus. Und eines Tages passiert es dann, und der Versicherer oder Vertrieb fordern die Vermittler*innen dazu auf, nun bitte zu zahlen.

Es ist nach alledem falsch, einfach nichts zu tun oder gar gleich zu zahlen oder Ratenvereinbarungen zu treffen. Denn es ist sehr sinnvoll, überprüfen zu lassen, ob noch Ansprüche auf Auszahlung oder Gutschrift der ganzen Stornoreserve oder eines Teils davon bestehen.

 

Der aktuelle Fall

 

Das zeigt auch wieder ein aktuelles Verfahren vor dem Landgericht Heilbronn, das eine Versicherung gegen einen Vermittler geführt hat. Ich habe hier den Vermittler vertreten.

 

Das Verfahren begann so, dass die Versicherung den Vermittler auf Zahlung von gut EUR 4.000,00 verklagt hat. Das Ergebnis war ein Vergleich vor dem Landgericht, in dem die klagende Versicherung an den Vermittler gut EUR 18.000,00 bezahlen musste. Das war genau der Betrag der Stornoreserve bei Vertragsende. Die Zahlung ist mittlerweile auch erfolgt.

 

Wie kam es dazu?

 

Ganz einfach: die Stornierungen, also die Minusbuchungen, mit denen die Stornoreserve verrechnet wurde, waren nach dem Stand im Prozess unwirksam. Hierfür kann es viele unterschiedliche Gründe geben, die natürlich herausgearbeitet werden müssen. Das Ergebnis ist jedenfalls: unwirksame Buchungen fließen nicht in den Saldo ein. Sie sind also automatisch herauszurechnen. Das bedeutet: die Ansprüche des Vertriebs sinken – die Ansprüche der Vermittlerinnen steigen.

 

Und so etwas kommt nicht selten vor. Ich habe bereits mehrere Verfahren betreut, in denen sich genau dasselbe ereignet hat und in denen deshalb der Sollsaldo aus der Abrechnung des Versicherers/Vertriebes falsch war. In Wahrheit konnten die betreffenden Vermittler*innen in diesen Fällen ihrerseits noch Zahlung verlangen.

 

Was bedeutet das praktisch?

 

Tatsächlich ist also die Stornoreserve keineswegs unbedingt verschwunden, nur weil sie nicht mehr in der Abrechnung steht. Sie ist nur unsichtbar geworden, besteht aber immer noch. Und wenn der Versicherer/Vertrieb nicht belegen kann, dass seine Buchungen (und zwar alle) berechtigt erfolgt sind, dann bestehen gute Chancen, dass die Abrechnung nicht richtig ist. Das kann dann dazu führen, dass die Vermittler*innen viel weniger schulden, als in der Abrechnung steht – oder sogar dazu, dass sie selbst noch erhebliche Zahlungen verlangen können.

 

Wenn Sie als Vermittlerin oder Vermittler (insbesondere als Versicherungsvertreter) dies lesen, dann sollten Sie also einmal nachschauen, wie es bei Ihren Verträgen mit den Ex-Vertrieben aussieht. Dabei kann es sich auch lohnen, auf ältere Verträge zurückzublicken, da die Haftungszeiten ja oft recht lang sind.

 

Weil die Rechtslage zu diesen Punkten recht komplex ist, ist es sicher sinnvoll, sich dazu qualifiziert anwaltlich beraten zu lassen.

 

Und wie immer ist es bei allem sehr wichtig: geben Sie kein Saldenanerkenntnis ab, außer Sie sind sich wirklich sicher und wissen positiv, dass der Saldo, den Sie anerkennen, korrekt ermittelt ist. Auch durch Saldenanerkenntnisse verschenken Vermittler*innen manchmal leichtfertig sehr viel von ihrem verdienten Geld.

 

Zu Saldenanerkenntnissen wird demnächst noch ein eigener Beitrag erscheinen.

 

Provisions-Rückforderung: der BGH hat gesprochen

Provisions-Rückforderung: der BGH hat gesprochen

Der Saldenprozess gegen Versicherungsvermittler ist voller Fallstricke und Details.

Die Anforderungen daran, was der Prinzipal im Prozess vortragen muss, damit er zurückverlangen kann, was er bereits gezahlt hat, folgen zwar aus dem Gesetz – sie stehen jedoch nicht direkt darin. Es sind vielmehr der Bundesgerichtshof (BGH) und die unteren Gerichte, die in einer umfangreichen und kleinteiligen Rechtsprechung den Rahmen setzen, innerhalb dessen das Gericht dann im Einzelfall prüft, ob Ansprüche des Unternehmers bestehen oder nicht. Gleichgültig ist es dabei, ob der Prinzipal eine Versicherung oder ein Vertrieb ist.

Besonders wichtig ist die Rechtsprechung des BGH. Denn an dieser Rechtsprechung orientieren sich die meisten unteren Gerichte. Fragen, die der BGH geklärt hat, beurteilen Amts-, Land- und Oberlandesgerichte meist ebenso.

Deshalb ist es schön, dass der BGH sich in einem Urteil vom 08.07.2021 – Az. I ZR 248/19 – zu zwei Punkten geäußert hat, die bisher so eindeutig nicht entschieden waren. Auch hier geht es um bestimmte Details, bei denen nun mehr Klarheit herrscht als zuvor.

Worum geht’s?

Der Sache nach handelt es sich um Fragen der notwendigen Nachbearbeitung. Will der Unternehmer Provisionen oder Vorschüsse zurückfordern, weil vermittelte Versicherungsverträge storniert worden seien, so muss er im Prozess umfassend zu diesen stornierten Verträgen vortragen. Ich habe unter anderem hier und auch hier schon etwas dazu geschrieben. Dazu gehört oft auch eine nähere Darlegung, auf welche Weise der Unternehmer sich darum bemüht hat, dass der Provisionsanspruch der Vermittlerin oder des Vermittlers erhalten bleibt.

Das bedeutet im Normalfall: droht einem Vertrag ein Storno, z.B. weil er gekündigt wurde, so muss der Unternehmer „nachbearbeiten“. Er kann das mit einer einfachen Stornogefahrmitteilung an den Vermittler oder die Vermittlerin machen. Er kann es aber auch selbst tun. Dann muss er grundsätzlich mit dem Kunden oder der Kundin Kontakt aufnehmen, um zu schauen, wo das Problem liegt und ob man es lösen und den Vertrag fortsetzen kann.

Streit gibt es immer wieder bei der Frage, in welchen Fällen überhaupt eine solche Nachbearbeitung erforderlich ist. Denn es kann auch Sachverhalte geben, in denen sie von vornherein keinen Sinn ergibt (Beispiel etwa: der Kunde ist verstorben. In diesem Fall bringt es oft wenig, sich darum zu bemühen, dass er weitere Zahlungen leistet). Um diese Frage geht es in dem Urteil des BGH.

Was hat der BGH entschieden?

Hierzu hat der BGH nunmehr festgestellt:

  • Wird der Versicherungsvertrag von der Kundin oder dem Kunden fristgerecht widerrufen, so muss der Unternehmer nicht nachbearbeiten. Er kann vielmehr grundsätzlich die Provision beim Vermittler auch ohne Nachbearbeitung stornieren.
  • Verlangt der Kunde oder die Kundin eine Beitragsfreistellung, so ist es anders: in diesen Fällen muss der Unternehmer nachbearbeiten. Denn es besteht in der Regel noch eine sinnvolle Möglichkeit, auf die Kundinnen oder Kunden einzuwirken, um den Vertrag mit Prämienzahlung aufrecht zu erhalten.

Es ist also gut und zu begrüßen, dass in diesen Punkten nunmehr Klarheit herrscht. Die Instanzgerichte haben hierzu zuvor unterschiedliche Auffassungen vertreten. Sie werden nunmehr sicherlich mehrheitlich der Ansicht des BGH folgen. Man kann übrigens mit guten Gründen hinsichtlich des Widerrufs anderer Ansicht als der BGH sein. Das wird dann im Schriftsatz aber schon eine eingehendere Auseinandersetzung erfordern.

Sonst noch was?

Der BGH trifft daneben weitere Feststellungen zu bekannten Themen. Er spricht einige Punkte an, um die im Prozess immer wieder gestritten wird. Zum Teil sind das Selbstverständlichkeiten, bei denen es trotzdem gut ist, sie hier noch einmal schwarz auf weiß zu haben:

  • Unter bestimmten Umständen gelten die Regelungen des Handelsvertreterrechts entsprechend für Versicherungsmakler.
  • Bei einer Kündigung des Versicherungsvertrages durch den Kunden oder die Kundin ist eine Nachbearbeitung selbstverständlich erforderlich.
  • In einem mehrstufigen Vermittlerverhältnis (also z.B. Versicherung – Vertrieb – Vermittler*in) trifft die Nachbearbeitungspflicht grundsätzlich die jeweils höhere Stufe, also z.B. den Vertrieb im Verhältnis zu der Vermittlerin oder dem Vermittler.

Insgesamt handelt es sich um eine reichhaltige Entscheidung des BGH, die in künftigen Saldenprozessen sicherlich oft zitiert werden wird. Ich zumindest habe sie in meine Schriftsätze aufgenommen.

Prämienerhöhungen der privaten Krankenversicherung – unwirksam?

Prämienerhöhungen der privaten Krankenversicherung – unwirksam?

Was ist passiert?

Große Aufregung verursachen dieser Tage wieder die Gerichte, dieses Mal das LG Frankfurt (Oder), das mit Urteil vom 18.01.2018 (14 O 203/16) entschieden hat, dass die Prämienerhöhungen der Krankenversicherung DKV für die Jahre 2015 bis 2017 unwirksam seien. Die DKV hat natürlich gleich angekündigt, Berufung einzulegen (Bericht im Handelsblatt).

Ganz so exotisch ist die Auffassung des Gerichtes nicht. Bereits im Jahr 2016 hat das Amtsgericht Potsdam (Urteil vom 18.10.2016, Az. 29 C 122/16) gegen eine andere Krankenversicherung (die AXA) entsprechend entschieden. Das Urteil des AG Potsdam löste schon damals ein großes Flügelschlagen aus, wurde für geradezu absurd gehalten und etwas belächelt – bis in der Berufungsinstanz das Landgericht Potsdam mit Urteil vom 27.09.2017 (Az. 6 S 80/16) die Entscheidung bestätigte. Nun ist der BGH am Zug.

Die Folge dieser Unwirksamkeit ist nach Ansicht der Landgerichte, dass die betreffenden Kläger

  • überzahlte Beträge plus Zinsen zurückverlangen können und
  • fortan nur die Prämie ohne die unwirksamen Erhöhungen zahlen müssen.

Das klingt natürlich auch für andere VersicherungsnehmerInnen interessant.

 

Worum geht es eigentlich?

Die Auffassung der genannten Gerichte klingt verblüffend einfach.

Nach dem Gesetz (§ 203 Abs. 2 S. 1 VVG) kann der Krankenversicherer die Prämie neu festsetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat.

Privat Versicherte kennen das sicher von ihrer Kasse: bei den allfälligen Prämienerhöhungen wird stets angegeben, dass ein unabhängiger Treuhänder der Anpassung zugestimmt habe.

Die Kläger in den oben genannten Verfahren haben nun behauptet, der Treuhänder ihrer Krankenversicherung sei aber gar nicht unabhängig. Vor allem erziele er durch seine Tätigkeit als Treuhänder über viele Jahre hinweg von der Versicherung ein hohes Einkommen. Dieses Einkommen mache mehr als 30 % seiner jährlichen Gesamteinkünfte aus. Dem sind offenbar weder die AXA noch die DKV entgegengetreten. Aus den Angaben der AXA in den Verfahren in Potsdam ergibt sich vielmehr, dass die Behauptung jedenfalls betreffend AXA für die meisten Jahre stimmt.

Das LG Potsdam hat bei seiner Prüfung der Unabhängigkeit des Treuhänders in erster Linie die Maßstäbe angesetzt, die nach dem Gesetz (§ 319 Abs. 3 Nr. 5 HGB) für die Unabhängigkeit von Wirtschaftsprüfern gelten. Dort gibt es nämlich eine ganz starre 30-%-Grenze. Zwar würde diese starre Grenze bei Treuhändern der Krankenversicherung nicht direkt gelten, so das LG Potsdam, aber: je größer die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Treuhänders, desto beeinflussbarer sei dieser auch. Und in der Gesamtschau aller Umstände, insbesondere der langjährigen Tätigkeit als Treuhänder bei AXA und des Einkommens sei hier die Unabhängigkeit nicht mehr gewahrt gewesen. Also: Geld regiert die Welt! Das klingt sehr einleuchtend.

Da langjährige Treue ein besonderes Kennzeichen der Treuhänder nach § 203 VVG zu sein scheint, sind von den Entscheidungen sehr viele Kunden der privaten Krankenversicherungen betroffen. Die DKV z.B. arbeitet nach eigenen Angaben bei jeder Prämienerhöhung seit 2004 mit demselben Treuhänder zusammen. Das bedeutet nach dem LG Potsdam und dem LG Frankfurt (Oder): alle Prämienerhöhungen, bei denen dieser Treuhänder nicht unabhängig war, sind unwirksam. Die Kunden können zu viel gezahlte Beiträge von ihrer Krankenversicherung zurück verlangen.

Es geht also um viel.

 

Jetzt sofort klagen?

Keine der Entscheidungen ist bislang rechtskräftig – letztendlich wird voraussichtlich der BGH die aufgeworfenen Rechtsfragen beantworten. In den juristischen Kommentaren und Zeitschriften wird auf vielfältige Weise gegen die Ansicht der Landgerichte Potsdam und Frankfurt (Oder) argumentiert. Auch die Bafin positioniert sich sehr deutlich dagegen (Bafin Journal 22/17 zum Download, Seite 22-25).

Das ändert aber nichts daran, dass die Krankenversicherer ein Problem haben, wenn der BGH die Rechtsprechung der Landgerichte Potsdam und Frankfurt (Oder) bestätigt. Denn dies dürfte erheblichen Einfluss auf die Rechtsprechung der Instanzgerichte ausüben.

Wer jetzt direkt gegen seine Krankenversicherung klagt, geht hierbei freilich ein gewisses Risiko ein.

In den Fällen der Prämienerhöhung ist es nämlich voraussichtlich ganz maßgeblich entscheidend, wie der BGH die Rechtsfragen beantwortet,

  • wann ein Treuhänder nach dem Gesetz unabhängig ist,
  • ob sich die etwa fehlende Unabhängigkeit auf die Wirksamkeit der Beitragsänderung auswirkt und
  • ob hieraus Ansprüche der VersicherungsnehmerInnen entstanden sind.

Wie der BGH entscheiden wird, ist offen – darin liegt Ihr (Kosten-)Risiko als VersicherungsnehmerIn, wenn Sie sofort klagen. Denn es ist keineswegs gesagt, dass der BGH der Ansicht etwa des Landgerichts Potsdam folgt. Klagen Sie hingegen nicht und bestätigt der BGH das Landgericht Potsdam, so droht die Verjährung jedenfalls von Ansprüchen, die schon vor längerer Zeit entstanden sind (dazu weiter unten). Auch das ist ein Risiko. Sofern keine Rechtsschutzversicherung eintrittspflichtig ist, müssen Sie diese Risiken abwägen.

 

Informationen über den Treuhänder einholen

Sie können zunächst einmal Ihre private Krankenversicherung darum bitten, Ihnen den für Ihre Prämienerhöhung(en) zuständigen Treuhänder zu benennen. Hierauf haben Sie ein Recht (OLG Stuttgart, Beschluss v. 18.01.2007, Az. 10 W 84/06).

 

Verjährung

Der Rückzahlungsanspruch gegen Ihre private Krankenversicherung – wenn er denn besteht – verjährt binnen 3 Jahren, nachdem Sie von ihm Kenntnis erlangt haben oder grobfahrlässig nicht erlangt haben. Die Frist beginnt erst am Ende des Jahres zu laufen, in dem Sie diese Kenntnis erlangt haben.

Wann haben Sie Kenntnis erlangt?

Selbst informierte VersicherungsnehmerInnen werden in aller Regel nicht vor dem Jahr 2017 Kenntnis erlangt haben (und haben können), als sich in der Wirtschaftspresse erste Berichte über das Urteil des AG Potsdam fanden. Wer hätte zuvor Anlass gehabt zu glauben, der Treuhänder sei nicht unabhängig?

Bei den meisten VersicherungsnehmerInnen wird Kenntnis allerdings noch später, nämlich erst ab dem Zeitpunkt einer anwaltlichen Beratung zu diesem Thema anzunehmen sein.

Die Kenntnis besteht sodann auch für Ansprüche, die schon vor längerer Zeit entstanden sind (also für überhöhte Beiträge, die Sie vor vielen Jahren gezahlt haben). Das Gesetz zieht hier eine Grenze bei zehn Jahren. Das bedeutet: Ansprüche, die vor mehr als zehn Jahren entstanden sind, sind grundsätzlich verjährt – und verjähren laufend weiter, und zwar taggenau.

Beispiel zur Zehn-Jahres-Frist

Wenn Ihr Krankenversicherungsbeitrag von Januar 2008 wegen unwirksamer Prämienerhöhung zu hoch war, haben Sie Pech gehabt. Ihre Forderung ist verjährt.

Eine Forderung aus März 2008 verjährt aber auch erst im März 2018, eine Forderung aus Juni 2009 erst im Juni 2019 und so weiter.

Anders gesagt: wenn Sie überhaupt erst seit zum Beispiel 2013 oder 2015 eine private Krankenversicherung haben, dürfte ein Verjährungsproblem in nächster Zeit nicht bestehen – maßgeblich für Sie persönlich ist aber immer Ihr konkreter Einzelfall.

 

Rechtsschutzversicherung

Mit einer Rechtsschutzversicherung im Rücken ist es natürlich weit weniger riskant, eine Inanspruchnahme Ihrer Versicherung zu prüfen bzw. prüfen zu lassen und gegebenenfalls gerichtlich vorzugehen, wenn Deckungsschutz besteht. Wie gesagt besteht ein gewisses Prozessrisiko, da hier sehr viel von der Einschätzung des BGH abhängt. Auch mag die Situation bei anderen Krankenversicherern als AXA und DKV anders liegen. Hier kommt wieder die berühmte Prüfung im Einzelfall ins Spiel. Es sind mittlerweile aber auch schon weitere Versicherer verklagt.

 

Verjährungsverzicht

Ansonsten kann auch erwogen werden, einmal bei Ihrer Versicherung nachzufragen (vielleicht anwaltlich unterstützt), ob diese bereit ist, für einen gewissen Zeitraum auf die Einrede der Verjährung zu verzichten – nämlich so lange, bis bekannt ist, wie der BGH sich positioniert. Dies hätte für beide Seiten Kostenvorteile. Wenn dann irgendwann die Entscheidung des BGH zu den grundlegenden Rechtsfragen vorliegt, wird Ihr Versicherer vielleicht sogar freiwillig zahlen oder aber Sie können klagen, ohne die Einrede der Verjährung befürchten zu müssen. All das hängt – es wird Sie nicht überraschen – vom Einzelfall ab.