Vor dem Landgericht Heilbronn hat die Generali-Versicherung gegen einen ehemaligen Vermittler geklagt. Sie wollte vorschüssig gezahlte Provision zurückhaben, weil die Verträge storniert worden seien.
Viel gibt es zu dem Urteil nicht zu sagen. Das Gericht hat sich an der Rechtsprechung des BGH orientiert. Danach muss der Versicherer zu jeder einzelnen Stornierung im Detail darlegen, aus welchem Grunde er glaubt, einen Anspruch zu haben. Das betrifft bei Versicherungsvertreter*innen bekanntlich unter anderem den Bereich der Nachbearbeitung stornogefährdeter Verträge.
Generali ist es nicht gelungen, dies zu den stornierten Verträgen ausreichend darzulegen. Deshalb erwies sich keine der eingeklagten Stornierungen als gerechtfertigt. Eine kleine Besonderheit weist das Urteil dennoch auf: Das Landgericht stellt ganz richtig fest, dass die Versicherung nicht einfach pauschal behaupten kann, eine Nachbearbeitung hätte nicht erbracht werden müssen, weil die Kund*innen sowieso nicht an ihren Verträgen festgehalten hätten. Wenn so eine Behauptung aufgestellt wird, dann muss das schon konkret und auf den einzelnen Vertrag und die einzelnen Versicherungsnehmer*innen bezogen erfolgen.
Das Urteil wurde in der Zeitschrift für Vertriebsrecht veröffentlicht, und ich habe eine kurze Anmerkung dazu geschrieben. Sie finden die Entscheidung und die Anmerkung hier. Die Veröffentlichung hier im Blog erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
Gebot der Stunde ist es, die Ausbreitung des Corona-Virus‘ zu verlangsamen. Damit soll unsere medizinische Infrastruktur davor bewahrt werden, aufgrund massenweiser Infektionen zu kollabieren. Das rettet Menschenleben und ist also eine gute Sache.
Wie Sie wissen, sind hierfür bereits jetzt bundesweit einschneidende Maßnahmen ergriffen worden. Weitere werden wohl folgen. Dazu gehört im Übrigen auch, dass Gerichtstermine bis auf wenige dringliche Ausnahmen aufgehoben und auf unbestimmte Zeit vertagt werden.
Der Kanzleibetrieb hier wird fortgeführt. Allerdings werden wir persönliche Termine nur vereinbaren, wenn es anders überhaupt nicht möglich ist.
Sie erreichen mich aber problemlos per Telefon, E-Mail, Fax
und Post. Für Kolleginnen und Kollegen bin ich auch über das beA zu erreichen,
wenn es denn mal funktioniert.
Die laufenden Gerichtsverfahren werden sich wie gesagt voraussichtlich deutlich verzögern, zumindest wenn noch ein Termin ansteht. Hier werde ich mit Ihnen in Ihrem Einzelfall prüfen, ob vielleicht auch anderweitige Lösungen möglich sind.
Liebe Mandantinnen und Mandanten, bitte bleiben Sie gesund, und bitte versuchen auch Sie Ihren Teil dazu beizutragen, dass die anderen Menschen gesund bleiben.
Vor dem Landgericht Stade und in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Celle wurde ein Fall der Swiss Life Select Deutschland GmbH (ehemals: AWD) gegen meinen Mandanten verhandelt, der seit Ende der 90er für den AWD und sodann für Swiss Life Select tätig war.
Swiss Life Select verlangte aufgrund von Stornierungen vermittelter Verträge gut EUR 11.600,00 von meinem Mandanten. Es handelte sich insoweit um eine normale Saldenklage.
Des Weiteren begehrte sie Auskunft darüber, welche Vermittlungstätigkeiten für die Konkurrenz mein Mandant während der – nach Ansicht von Swiss Life Select – knapp zweijährigen Kündigungsfrist entfaltet habe. Denn die Klägerin ging davon aus, dass mein Mandant in dieser Zeit für einen konkurrierenden Vertrieb tätig gewesen sei.
Im Vertrag war geregelt, dass für Verstöße gegen das Konkurrenzverbot eine Vertragsstrafe von bis zu EUR 7.500,00 pro Fall anfalle. Selbst wenn die Vermittlerin oder der Vermittler sich keines Verstoßes bewusst ist, stellt es eine enorme Drohung dar, wenn der Vertrieb in einem Gerichtsprozess behauptet, es habe Fremdvermittlungen, also eine Tätigkeit für die Konkurrenz gegeben.
Wie so oft war entscheidend für die Behandlung dieses Falls die exakte Prüfung und Beurteilung des Sachverhaltes. Nicht alles, was Kläger in einer Klageschrift behaupten, erweist sich im Prozess als wirklich belastbar. Das gilt natürlich nicht nur für Saldenprozesse, sondern für Zivilverfahren aller Art. Eventuelle Schwachstellen aufzudecken und präzise zu bezeichnen, ist daher Aufgabe des Anwalts des Vermittlers oder der Vermittlerin.
Die Entscheidung des Landgerichts
In unserem Fall stellte sich zweierlei heraus:
Swiss Life Select war zum einen nicht imstande, konkret darzulegen, dass ihre Stornierungen in der Abrechnung berechtigt waren. Bei genauer Betrachtung erwies sich ihr Vortrag vor Gericht als lückenhaft und unzureichend. Letztendlich konnte Swiss Life Select trotz langer Schriftsätze keine Forderung ausreichend darlegen. Mit der Darlegungslast im Saldenprozess habe ich mich in einem Beitrag, der ein Verfahren gegen DVAG betraf, schon einmal auseinandergesetzt.
Weiter erwies sich im Verfahren, dass mein Mandant nach seiner konkreten Tätigkeit nicht als hauptberuflicher Vermittler, sondern nur als Nebenberufler einzustufen war. Das hat eine große Bedeutung für die angebliche Fremdvermittlung. Denn bei Verträgen für Nebenberufler gilt nach dem Gesetz eine sehr kurze Kündigungsfrist von nur einem Monat. Diese Frist kann im Vertrag verlängert werden, aber nicht auf fast zwei Jahre. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für Nebenberufler schon eine – in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelte – Kündigungsfrist von einem Jahr zu lang und damit unwirksam.
Das bedeutet: die Kündigungsfrist für den Vermittler betrug in unserem Fall nicht fast 2 Jahre, sondern nur einen Monat. In diesem Monat hat schon nach dem Vortrag der Swiss Life Select kein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vorgelegen. In dem Zeitraum danach waren Verstöße gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot nicht mehr möglich.
Das Landgericht Stade hat die Klage daher in beiden Punkten abgewiesen und Swiss Life Select die Verfahrenskosten auferlegt.
Gegen das Urteil legte Swiss Life Select Berufung ein.
Verfahren vor dem Oberlandesgericht
Das OLG Celle folgte der Auffassung des Landgerichts und erteilte entsprechende Hinweise. Swiss Life Select nahm daher die Berufung zurück, ohne dass eine mündliche Verhandlung vor dem OLG erforderlich war.
Das Urteil des Landgerichts ist damit rechtskräftig.
Im Ergebnis war somit nach gut zwei Jahren Jahren Prozessführung festzustellen:
Swiss Life Select kann keine Zahlung wegen Stornierungen von meinem Mandanten verlangen.
Swiss Life Select hat keine Ansprüche wegen einer angeblichen Konkurrenztätigkeit meines Mandanten.
Schlussfolgerungen für Versicherungsvertreter*innen
Man kann beobachten, dass gerade große Vertriebe und auch Versicherungen nicht selten Ansprüche gegen ausgeschiedene Vermittlerinnen und Vermittler geltend machen, die sich bei genauerer Prüfung als nicht gerechtfertigt erweisen. Es lohnt sich daher immer, den Sachverhalt sorgfältig zu untersuchen, um genau zu identifizieren, ob die teilweise erheblichen Forderungen eines Vertriebs oder einer Versicherung wirklich berechtigt sind. Hierbei sind die Grundsätze zu berücksichtigen, die sich in der Rechtsprechung seit Jahrzehnten herausgebildet haben.
Außergerichtlich lassen sich solche Konflikte leider nicht immer befriedigend lösen, weil die Vertriebe oder Versicherungen oft nicht bereit sind, sich die Mühe zu machen, ihre Ansprüche detailliert zu begründen.
Ob Stornierungen berechtigt sind, lässt sich aber wie oben schon gesagt in aller Regel nur durch eine eingehende Prüfung ermitteln.
Diese Prüfung sollte vorgenommen werden, bevor man etwa eine Ratenzahlungsvereinbarung unterzeichnet oder ähnliches. Denn damit ist in aller Regel ein Saldenanerkenntnis verbunden, das es deutlich erschwert, Einwände gegen unberechtigte Buchungen geltend zu machen.
Auch bei dem – ebenfalls nicht gerade seltenen – Vorwurf konkurrierender Tätigkeit muss genau überprüft werden, ob wirklich Ansprüche der Versicherung oder des Vertriebes in Betracht kommen und dabei in einem ersten Schritt, ob die vertraglichen oder gesetzlichen Voraussetzungen eines Wettbewerbsverbotes überhaupt erfüllt sind.
Ein
Blogeintrag jagt auf dieser Website den nächsten, hoffentlich kommen Sie mit
dem Lesen noch hinterher, liebe Leserinnen und Leser!
Heute geht es um einen Prozess nach einer Abmahnung:
1. Die Abmahnung und der Mahnbescheid
Herr Ralph Schneider betreibt einen Onlineshop namens „markenglas“. Googelt man Herrn Schneider, stellt sich schnell heraus, dass er dem Internet kein Unbekannter ist. Allerdings werden auf vielen Seiten weniger die schönen Gläser gepriesen, die er anbietet. Vielmehr ist er als jemand bekannt, der recht häufig andere Personen wegen Wettbewerbs- oder Urheberrechtsverstößen im Internet abmahnt. Hierbei lässt er sich anwaltlich vertreten, und das ist ja immer teuer.
Auch
meine Mandantin erhielt Ende März 2018 eine solche Abmahnung durch die Anwälte
des Herrn Schneider. Neben der Forderung, bestimmte Verstöße im Internet zu
unterlassen, wurden auch die Kosten der Abmahnung geltend gemacht, immerhin EUR
1.358,86. Ich habe meine Oma gefragt, und sie hat bestätigt, dass sie für einen
solchen Betrag sehr lange stricken müsse.
Auf
die Abmahnung reagierte die Mandantin nicht. Das hatte Folgen: im April 2018
flatterte ihr ein Mahnbescheid ins Haus, mit dem ein Betrag in Höhe der
Abmahnkosten geltend gemacht wurde, natürlich plus Zinsen und weiterer Kosten
für das Mahnverfahren.
Gegen den Mahnbescheid legte sie fristgerecht (2 Wochen ab Zustellung) Widerspruch ein.
2. Die Klage
Im Juli 2018 war es dann soweit: es kam mit der Post eine sog. Anspruchsbegründung (das ist praktisch eine normale Klage, die nach dem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid eingereicht wird). Mit der Klage in der Hand wurde die Mandantin bei mir vorstellig.
In der Klage wurden nicht nur die Abmahnkosten aus dem Mahnbescheid geltend gemacht, sondern es wurde zusätzlich beantragt, dass die Mandantin ihr Verhalten im Internet unterlassen solle. Der Streitwert war mit insgesamt EUR 30.000,00 angesetzt, was zu einem gewissen Schockerlebnis bei meiner Mandantin führte, denn bei einem solchen Streitwert entstehen für ein Gerichtsverfahren schon recht hohe Anwaltskosten. Und wenn man den Prozess verliert, muss man ja auch noch die Anwaltskosten der Gegenseite bezahlen!
Zuständig für die Klage war das Landgericht Köln. Es wurden Schriftsätze zwischen den Anwälten gewechselt, und natürlich gab es eine mündliche Verhandlung. Das Landgericht Köln wies sodann die Klage des Herrn Schneider ab, weil es keinen Verstoß meiner Mandantin sah. Den Streitwert setzte es in der Tat mit EUR 30.000,00 fest.
3. Die Berufung
Herr Schneider ging daraufhin in Berufung zum Oberlandesgericht Köln. Dort fand kürzlich die mündliche Verhandlung statt. Und die war in rechtlicher Hinsicht interessant:
Das
Oberlandesgericht äußerte nämlich mit eingehender Begründung seine vorläufige
Ansicht, dass Herr Schneider in unserem Fall rechtsmissbräuchlich
vorgegangen sei. Wenn aber eine Klage rechtsmissbräuchlich ist, dann ist sie
unzulässig und muss daher abgewiesen werden. Ob ein Verstoß des oder der
Beklagten gegen das Wettbewerbsrecht vorliegt, spielt dann keine Rolle mehr.
Rechtsmissbrauch
kann – kurz gesagt – vorliegen, wenn der Kläger oder die Klägerin sich von sachfremden Motiven leiten lässt. Geht
es zum Beispiel jemandem, der vorgeblich einen Unterlassungsanspruch verfolgt,
in Wahrheit gar nicht um diese Unterlassung, sondern nur oder hauptsächlich
darum, Anwaltskosten einzutreiben, dann sind diese rein finanziellen Interessen
sachfremd. Denn es geht ja nur um Geld, und nicht z.B. um die Förderung des
lauteren Wettbewerbs oder den Schutz des eigenen Geschäfts.
Der
Zivilsenat beim Oberlandesgericht stützte seine Ansicht hauptsächlich auf
folgenden Aspekt, zu dem es merkwürdigerweise bisher praktisch keine
Rechtsprechung gibt, obwohl die Konstellation sicher häufiger vorkommen wird:
Wie gesagt hatte die Mandantin auf die Abmahnung nicht reagiert, worauf dann der Mahnbescheid kam. Bei einem Mahnbescheid ist es nun so, dass dieser nur wegen der Zahlung einer Geldsumme beantragt werden kann. Das steht im Gesetz (§ 688 Abs. 1 ZPO). Eine Unterlassung zum Beispiel kann mit einem Mahnantrag also nicht verfolgt werden. Deshalb standen in dem Mahnbescheid ja auch nur die Anwaltskosten und sonst nichts.
Statt
also wegen der fruchtlosen Abmahnung eine einstweilige Verfügung auf
Unterlassung zu beantragen oder Klage auf Unterlassung zu erheben, hat Herr
Schneider über seine Anwälte nur die Anwaltskosten geltend gemacht.
Den Unterlassungsanspruch hat er dann erst nach dem Widerspruch gegen den Mahnbescheid zusammen mit der Forderung auf die Abmahnkosten bei Gericht begründet. Die Klage ging wie gesagt über drei Monate nach der Abmahnung bei Gericht ein. Das ist ein sehr langer Zeitraum, wenn man in der Abmahnung noch erklärt, dass man binnen einer Woche eine Unterlassungserklärung haben will und ansonsten gerichtlich (wegen der Unterlassung!) vorgehen werde.
Das
hielt das Oberlandesgericht Köln nach seiner vorläufigen Rechtsauffassung für
ein ausreichend deutliches Indiz dafür, dass es Herrn Schneider nicht wirklich
um die Unterlassung ging, sondern hauptsächlich um eine Kostenerstattung – also
um sachfremde Motive, siehe oben! Denn er hat ja erst einmal ausschließlich die
Kosten geltend gemacht, obwohl meine Mandantin auf die Abmahnung überhaupt
nicht reagiert hatte. Man kann kaum deutlicher zum Ausdruck bringen, dass man
in erster Linie daran interessiert ist, eine Zahlung zu erhalten, als dadurch,
dass man – obwohl noch andere Ansprüche im Raum stehen – per Mahnverfahren nur
die Zahlung verlangt.
(Das wäre anders gewesen, wenn meine Mandantin auf die Abmahnung eine Unterlassungserklärung abgegeben hätte. Denn dann braucht der Abmahner seine angeblichen Unterlassungsansprüche nicht mehr bei Gericht zu verfolgen. Sie sind durch die Unterlassungserklärung befriedigt, und er kann seine Abmahnkosten per Mahnbescheid geltend machen, wenn sie nicht bezahlt werden.)
In
den Schriftsätzen im Verfahren gelang es Herrn Schneider auch nicht, zur
Überzeugung des OLG zu erklären, warum er auf diese Weise vorgegangen ist.
Es kommt noch etwas hinzu: selbst wenn meine Mandantin auf den Mahnbescheid gezahlt und Herr Schneider danach gesondert eine Unterlassungsklage eingereicht hätte, dürfte das ein Anzeichen für Rechtsmissbrauch sein. Denn dadurch, dass die Kosten und die Unterlassung in zwei getrennten Verfahren geltend gemacht würden, würden völlig unnötig erhebliche zusätzliche Verfahrenskosten entstehen, und dabei handelt es sich dann hauptsächlich um Anwaltskosten, die Herr Schneider erstattet verlangt.
Der
Vorsitzende Richter des Zivilsenates beim OLG Köln meinte, der Senat würde
wirklich gerne ein Urteil zu unserem Sachverhalt schreiben, da es wie gesagt zu
diesem Aspekt bisher kaum oder keine Rechtsprechung gibt (ich habe keine
gefunden).
Dieses Urteil wird es nun aber nicht geben – Herr Schneider nahm noch im Termin seine Berufung zurück.
4. Die Erkenntnis!
Es zeigt sich an diesem Fall, dass es sich durchaus lohnen kann, genau hinzuschauen, welche Schritte ein Abmahner nach seiner Abmahnung ergreift, wenn es denn tatsächlich zum Prozess kommt. Eventuell lassen sich daraus wichtige Erkenntnisse über die wahren Motive einer Abmahnung gewinnen.
Nur vorsorglich, liebe Leserinnen und Leser: damit will ich nicht pauschal empfehlen, auf eine Abmahnung einfach nicht zu reagieren. Es gibt durchaus auch berechtigte Abmahnungen. Sie haben bestimmt noch gut in Erinnerung, was ich oben über den Streitwert und die Kosten geschrieben habe. Wenn man einen Prozess mit einem Streitwert von EUR 30.000,00 verliert, fallen bei zwei Instanzen alleine Anwaltskosten in Höhe von insgesamt über EUR 10.000,00 an. Ich habe auch hierzu meine Oma noch einmal befragt, und sie hat mit schreckensgeweiteten Augen erklärt, dass sie dafür wirklich SEHR lange stricken müsse. Und sie strickt nicht gerade gerne!
Warnung: es folgt eine ganze Menge Text. Darin erläutere ich Ihnen in Grundzügen, wie Anwaltsgebühren nach dem Gesetz berechnet werden. Der ganze Witz an diesem Beitrag ist aber eine Tabelle. Darin stehen konkrete Gebühren, die in typischen Fällen nach dem Gesetz beim Anwalt bzw. der Anwältin anfallen, und zwar inklusive Umsatzsteuer etc.
In dem Text ist auch erklärt, dass diese Zahlen in vielen Fällen die richtigen sind – dass sie aber auch anders ausfallen können, je nachdem wie das konkrete Mandat aussieht und sich entwickelt. Wenn Sie das alles nicht lesen wollen: folgen Sie dem Link oben.
Die Tabelle kann und soll Ihnen nicht mehr als eine erste Orientierung bieten. Wie es in Ihrem konkreten Fall aussieht, erkläre ich Ihnen am Anfang und im Laufe des Mandates.
Zum Nutzen von Anwälten
Wer ein rechtliches Problem hat, denkt eventuell irgendwann mal darüber nach, einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin zu beauftragen. Rechtsanwälte können sehr nützlich sein, denn im günstigen Fall kennen sie das Recht, vereinzelt auch das Leben. Sie können Ihnen eine fundierte Einschätzung Ihrer rechtlichen Situation, Ihrer Chancen und Risiken geben. Sie können Ihnen begründet Vorschläge dazu machen, wie Sie sich in rechtlicher Hinsicht verhalten sollten. Sie können Verträge für Sie entwerfen oder bestehende Verträge auf Herz und Nieren prüfen. Sie können Sie auch außergerichtlich und gerichtlich vertreten, um Ihre Interessen bestmöglich zu verfolgen. Manchmal können sie Sie sogar davor schützen, Fehler zu begehen oder sich in aussichtslosen Streitigkeiten zu verrennen, die Zeit, Geld und Nerven kosten.
Das sind alles sehr gute Sachen.
Der Wermutstropfen
Jetzt kommt’s aber, die bittere Pille: die Dienstleistung eines Anwalts oder einer Anwältin kostet Geld. Das geht auch gar nicht anders, weil Anwältinnen und Anwälte sich wie viele andere Menschen von Nahrungsmitteln ernähren müssen, gerne in einer trockenen Behausung leben, ein Büro unterhalten und sich weiterbilden müssen und so weiter. Manche haben sogar Kinder, die ihrerseits wieder Geld kosten. Außerdem leisten sie ja auch was, siehe oben!
Für Sie als Mandantin oder Mandant ist es natürlich wichtig zu wissen, wie viel Geld denn nun Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin kostet. Dabei helfen die Hinweise auf den Anwaltswebsites auf das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (abgekürzt: RVG) Ihnen meistens überhaupt nicht. Dieses Gesetz hat über 60 Paragraphen, und selbst wenn Sie die alle lesen, wissen Sie immer noch nicht, was auf der Rechnung stehen wird. Auch ich habe übrigens einen solchen Hinweis hier stehen, weil auch ich grundsätzlich nach diesem Gesetz abrechne.
Wie sich Anwaltsgebühren ermitteln
Ich möchte Ihnen im Folgenden für Streitigkeiten im Zivilrecht (einschließlich arbeitsrechtlicher Verfahren) eine Hilfestellung geben, mit der Sie in etwa einschätzen können, was der Besuch beim Anwalt wohl kostet, wenn nach dem RVG abgerechnet wird.
Hierzu muss ich vorher ein paar Dinge erläutern:
Grundlage der Abrechnung nach dem RVG ist im Zivilrecht der Gegenstandswert. Der Gegenstandswert wird immer in Euro ausgedrückt. Grundsätzlich gilt: je höher der Gegenstandswert, desto höher die Anwaltskosten. Und je geringer der Gegenstandswert ist, desto geringer sind auch die Kosten.
Wie hoch ist der Gegenstandswert?
Dieser Gegenstandswert ist leicht zu ermitteln, wenn es um einfache Geldforderungen geht.
Haben Sie eine Forderung von EUR 5.000 gegen jemanden, so beträgt der Gegenstandswert: EUR 5.000.
Verlangt jemand EUR 5.000 von Ihnen (natürlich unberechtigt, und überhaupt eine einzige Frechheit!), so beträgt der Gegenstandswert ebenfalls: EUR 5.000.
Schwieriger wird es, wenn es nicht in erster Linie um eine bestimmte Zahlung geht. Wollen Sie zum Beispiel Ihre Nachbarn im Reihenhaus daran hindern, jede Nacht laute Technomusik zu hören, so haben Sie evtl. einen Unterlassungsanspruch. Aber wie ist der Gegenstandswert dafür in Euro zu bemessen? Nun, zu solchen Fragen gibt es reichlich Bücher und Rechtsprechung, in denen Ihre Anwältin oder Ihr Anwalt nachschauen kann. Sie oder er wird Ihnen dann sagen, wie hoch der Gegenstandswert ist.
In Gerichtsverfahren setzt das Gericht spätestens am Ende des Verfahrens den Gegenstandswert fest.
Wenn Sie den Gegenstandswert kennen, sind Sie schon einen großen Schritt weiter. Aber Achtung: dieser Wert kann sich ändern! Und damit können sich dann auch die Kosten ändern, die nach dem Gegenstandswert berechnet werden.
Ein Beispiel
Stellen Sie sich vor, Sie haben die oben beschriebene Forderung von EUR 5.000 gegen jemanden. Ihre Anwältin oder Ihr Anwalt schreibt einen trocken oder auch leidenschaftlich formulierten Brief an die Gegenseite und fordert sie zur Zahlung auf. Und tatsächlich: es kommt eine Zahlung! Allerdings ist die Gegenseite der Ansicht, sie schulde nur EUR 2.000, und die zahlt sie auch nur.
Jetzt haben wir für diese außergerichtliche Arbeit des Anwalts oder der Anwältin den Streitwert von EUR 5.000. Denn darum ging es ja ursprünglich.
Wollen Sie den Rest, den die Gegenseite nicht bezahlt hat, nun aber einklagen, so beträgt der Gegenstandswert vor Gericht nur noch EUR 3.000. Denn EUR 2.000 sind ja schon bezahlt.
Dass sich der Gegenstandswert ändern kann, ist mit ein Grund dafür, dass die Anwälte auf ihren Internetseiten nicht definitiv sagen können, wie viel genau die Vertretung kostet, wenn sie nach dem RVG berechnet wird. Denn das Leben ist vielgestaltig und farbenfroh, und so ist es auch mit den Gegenstandswerten.
Aber es sind ja nicht nur die Gegenstandswerte. Auch ganz andere Umstände können sich auf die Höhe der Gebühren auswirken:
In schwierigen oder umfangreichen Fällen erhöhen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert. Sie müssen zugeben, dass das nicht ungerecht ist.
Es gibt Gebührensätze für die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts, und weitere Gebührensätze für die gerichtliche Tätigkeit.
Hinzu kommt: wenn Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin daran mitwirkt, dass Sie sich mit der Gegenseite einigen, gibt es dafür auch eine Gebühr. Das steht so im Gesetz, glauben Sie es mir! Ich denke mir das nicht aus!
Unter bestimmten Voraussetzungen kann es sein, dass Sie zwar zunächst an Ihren Anwalt oder Ihre Anwältin Kosten bezahlen müssen, dass Sie aber einen Erstattungsanspruch gegen die Gegenseite haben.
Schrecklicherweise gilt auch umgekehrt, dass es sein kann, dass die Gegenseite einen Anspruch auf Erstattung ihrer Anwaltskosten gegen Sie hat. Ich kann Ihnen diese bittere Wahrheit nicht ersparen.
Die Tabelle
Ich habe für Sie eine Tabelle erstellt. Und nach all den Worten, die ich bis jetzt in diesen Beitrag gegossen habe, stehen in dieser Tabelle auch richtige Zahlen.
Aber noch ein paar weitere Worte zum Verständnis dieser Tabelle:
In der Tabelle sind für Gegenstandswerte bis EUR 110.000,00 die Anwaltsgebühren nach dem RVG aufgeführt, und zwar einfach nur die grundlegenden Gebühren inklusive der gesetzlichen Auslagenpauschale und der Umsatzsteuer. Darin steht also der Betrag, der am Ende auch auf der Rechnung steht, wenn es keine Besonderheiten gibt.
Rechnet Ihre Anwältin oder Ihr Anwalt nicht nach dem RVG ab, so nützt die Tabelle Ihnen wenig, außer vielleicht zu Vergleichszwecken.
Die linke der drei Gebühren-Spalten enthält die Gebühren für die außergerichtliche Vertretung. Das ist der häufigste Fall bei Beginn eines Mandates. Die mittlereSpalte enthält die Gebühren für die Vertretung vor Gericht, wenn Ihre Anwältin oder Ihr Anwalt in derselben Sache zuvor bereits außergerichtlich für Sie tätig war. In der rechten Spalte finden Sie die Gebühren, die anfallen, wenn es keine außergerichtliche Tätigkeit gibt, sondern Sie die Anwältin oder den Anwalt direkt mit der Vertretung vor Gericht beauftragen.
Gebühren für die Vertretung vor Gericht sind nur für die I. Instanz angegeben. Für weitere Instanzen (wenn also Berufung oder Revision eingelegt wird) gelten andere Sätze.
Weil das Leben so vielgestaltig ist (siehe oben!), sind in der Tabelle unter anderem nicht enthalten: etwaige Reisekosten des Anwalts oder der Anwältin, auch Gerichtskosten sind nicht drin oder besondere Auslagen, etwa wenn sehr umfangreich Kopien angefertigt werden müssen. Auch sonstige Kosten, die bei Gerichtsverfahren anfallen können, sind nicht enthalten. Das sind z.B. Kosten eines Sachverständigen oder die Auslagenerstattung für Zeugen, Kosten und Gebühren für Beschwerdeverfahren innerhalb der Instanz usw. usf. Es gibt wirklich viel, was in der Tabelle nicht enthalten ist. Deshalb ist sie ja auch so übersichtlich.
Die Tabelle legt eine in Umfang und Schwierigkeit durchschnittliche Angelegenheit zugrunde. In schwierigen/umfangreichen Sachen können die Gebühren höher sein.
Die Tabelle geht dabei davon aus, dass es nur eine Mandantin bzw. einen Mandanten gibt. Tatsächlich erhöhen sich die Kosten etwas, wenn mehrere MandantInnen einen Anwalt oder eine Anwältin beauftragen.
Die Gebühr, die im Falle einer Einigung anfallen kann, habe ich ebenfalls nicht mit aufgeführt. Es gibt ja nicht immer eine Einigung.
Ziel der Tabelle ist es, Ihnen einen ersten Anhaltspunkt dafür zu geben, was denn Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin nun kosten wird, wenn Sie ihn oder sie beauftragen. Hierbei ist immer vorausgesetzt, dass Ihre Anwältin oder Ihr Anwalt nach dem RVG abrechnet. So haben Sie eine Größenordnung vor Augen, wenn Sie in das Erstgespräch gehen oder sich überlegen, ob Sie anwaltliche Hilfe suchen sollen.
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